Brief an Guido Beermann (Minister für Infrastruktur und Landesplanung)

Sehr geehrter Minister Beermann, sehr geehrter Staatssekretär Genilke,

wenn man in den letzten Monaten die Sitzungen des AIL (Ausschuss Infrastruktur und Landesplanung) verfolgte und dabei die Umfeldentwicklung von Tesla auf der Tagesordnung stand, konnten sie nur Erfreuliches berichten und über die Fortschritte informieren. So passt die Aussage von Minister Beermann im Interview mit der MOZ genau ins Bild: „Die Erwartungen und Prognosen zum Verkehr sind eingetreten: Das Verkehrschaos ist ausgeblieben. Das bedeutet, das gute ÖPNV-Angebot, das wir im Umfeld der Fabrik entwickelt haben, wird angenommen. Auch der Individualverkehr per Pkw kann gut aufgefangen werden.

Hier müssen wir entschieden widersprechen. Wir, das sind die Bewohner von Freienbrink, die nicht auf das Tesla-Gelände sondern von unserem Wohnort auf die BAB 10 oder über die L 38 Richtung Hangelsberger Kreisel wollen. Schichtwechsel bei Tesla ist gleich Stau lautet die vereinfachte Formel. Wer es irgendwie einrichten kann, meidet diese Zeiten. Längst nicht jeder kann seine Arbeitszeit frei festlegen. Aber auch Termine beim Arzt oder bei Behörden lassen sich nicht nach Belieben verschieben. Noch einmal zur Erinnerung, es gibt auch ein Leben außerhalb von Tesla. Wir Bewohner im Umfeld zweifeln inzwischen daran, dass dies der Landesregierung in Potsdam noch bewusst ist.

Mit dem Genehmigungsbescheid für das Vorhaben „Errichtung und Betrieb einer Anlage für den Bau und die Montage von Elektrofahrzeugen“ – „Tesla – Gigafactory Berlin-Brandenburg“ wurden unter Ziffer 11.1 Nebenbestimmungen für den Verkehr erlassen. Dazu zählen u.a.:

Bis zum Ausbau der L 38 ist die Zahl der PKW für die An- und Abreise, der im Schichtdienst in den Produktionsanlagen der Betreiberin tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf 570 einfahrende PKW pro Schichtwechsel begrenzt; dies bezieht sich auf den einstündigen Zeitraum um den Zeitpunkt des Schichtwechsels herum. Dies setzt die Umsetzung der folgenden baulichen und organisatorischen Maßnahmen innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach (Teil-) Inbetriebnahme der Anlage voraus:

• Ausstattung der betrachteten Knotenpunkte mit provisorischen Lichtsignalanlagen und Ummarkierungen 

• Einrichtung eines vierten Knotenpunktarms im Norden an den bestehenden Einmündungen L 38/Große Lindenstraße und L 38/Eichenstraße 

• Sicherstellung, dass sämtliche LKW- und Shuttle-Bus-Verkehre sowohl bei der An- als auch bei der Abreise über den Knotenpunkt L 38/ Eichenstraße verkehren 

• Ausbildung eines Mischfahrstreifens (rechts und gerade) und eines separaten Linksabbiegestreifens in den Knotenpunktarmen des Anlagengrundstücks 

Der festgelegte Zeitraum war demnach am 18.06.2022 erreicht.

Lichtsignalanlagen gab es vorübergehend. Seit einigen Wochen sind sie vollständig verschwunden. Der Verkehr wird sich selbst überlassen und der dreistere setzt sich durch. Den Begriff „Ummarkierung“ kennt der Duden nicht. Da lässt sich die Umsetzung nicht nachvollziehen. Die vorhandenen Fahrbahnmarkierungen auf der L 38 werden laufend geändert und führen zur Verwirrung der Verkehrsteilnehmer. Sämtlicher Verkehr, auch der von LKW und Shuttle-Bussen läuft unverändert über eine zusätzliche Zufahrt, die sich in der Mitte zwischen Großer Lindenstraße und Eichenstraße vom gegenüberliegenden GVZ befindet.

Was die Anzahl der einfahrenden PKW pro Schichtwechsel betrifft, bezweifeln wir, dass der vorgeschriebene Grenzwert eingehalten wird. Welche Angaben liegen dem MIL diesbezüglich vor? Wann wurden durch wen Zählungen durchgeführt?

Unter Ziffer 11.2 wird festgelegt: „Die Betreiberin hat die verkehrliche Belastung der L 38 insbesondere am Knotenpunkt L 38/Große Lindenstraße durch mit dem LS abzustimmende Maßnahmen zu beobachten und dem LS etwaige Auffälligkeiten (besondere Stausituationen, verkehrliche Überlastung) mitzuteilen.“

Welche Meldungen gab es durch Tesla? Welche Maßnahmen wurden daraufhin ergriffen? Wir Anwohner können diesen Knotenpunkt während der Schichtwechselzeiten, aus dem GVZ kommend, nur benutzen, wenn wir lange Wartezeiten in Kauf nehmen.

Vor kurzem wurde bekannt, dass der Genehmigungsbescheid durch einen Widerspruchsbescheid abgeändert wurde. Gelten die Bestimmungen unter 11.1 und 11.2 weiterhin? Warum werden sie nicht durchgesetzt?

In einem Artikel der MOZ werden ab 6. Februar 2023 umfangreiche Bauarbeiten am Dreieck Spreeau angekündigt. Es liegt auf der Hand, dass bei Staugefahr am Dreieck Spreeau, Verkehrsteilnehmer aus der Richtung Fürstenwalde kommend die A 12 bei Spreenhagen verlassen und die L 23 Richtung Hangelsberger Kreisel benutzen. Sollte ihr Fahrtziel im GVZ Freienbrink liegen, ist eine Benutzung der K 6755 ab Ortsausgang Spreeau eine zusätzliche Option. Für Verkehre in der Gegenrichtung gilt dies entsprechend auch. Welche konkreten Maßnahmen erfolgen, um die Belastung der Bewohner von Spreenhagen und Spreeau durch zusätzliche Verkehre zu minimieren? Die Zählstelle „Latzwall“ ist in Betrieb, so dass sich Daten unkompliziert ermitteln lassen.

Als im Dezember 2020 die Gemeinde Grünheide unter enormen Zeitdruck die 1. Änderung zum B-Plan Nr. 13 durchsetzte, gab es von Seiten der Befürworter zwei Hauptargumente. Man benötige den Beschluss, um am Bahnhof Fangschleuse zusätzliche Parkmöglichkeiten zu schaffen und Tesla soll die Möglichkeit eröffnet werden, eine temporäre Abfahrt an der Autobahn zu errichten. Beides wurde dann zeitnah umgesetzt. Doch von einer großen Entlastung durch diese Tesla-eigene-Abfahrt ist nichts zu spüren. Man hat die Begrenzungen des Fabrikgeländes so festgelegt, dass der Mitarbeiterparkplatz über diese Abfahrt nicht angefahren werden kann. Der Abtransport von Fahrzeugen erfolgt zu großen Teilen über Tesla-Straße auf die L 38. Wurde einmal ermittelt, wie viele Fahrzeuge täglich die temporäre Tesla-Abfahrt benutzen? Wie viele Fahrzeuge wurden gezählt? Warum gab es im Rahmen der Baugenehmigung keine Nebenbestimmung, die die Benutzung der temporären Abfahrt priorisiert?

Herr Beermann, sie gelten als ein Befürworter des ÖPNV und sehen in der verstärkten Nutzung von selbigen einen Lösungsansatz. Die neue eingerichtete Buslinie 419 des Busverkehr Oder-Spree verkehrt seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2022 bis zu 40-mal am Tag zwischen Erkner und Freienbrink. Grundsätzlich ein lukratives Angebot. Allerdings stecken auch diese Busse während der Schichtwechsel mit im Stau. Ihre Taktung ist 30/30, während der RE 1 in Fangschleuse, wo man am effektivsten vom Bus in den Regionalexpress wechselt, im 20/40-Takt verkehrt. Wenn man mit einem verspäteten Bus den einen Zug verpasst und der nächste erst in knapp 40 Minuten kommt, ist das nicht mehr lukrativ. Das größte Hemmnis ist jedoch die Tarifstruktur. Erkner bis Fangschleuse läuft unter Berlin C, der Rest der Strecke nicht. Ein Einzelfahrschein zwischen Freienbrink und Fangschleuse (Entfernung ca. 5 km) kostet stolze 1,70 Euro. Der Unterschied zwischen ABC und ABC+Landkreis sind noch 0,90 Euro, im Jahresabo beträgt der Mehrpreis 400 Euro. Da fährt man eben doch im Individualverkehr in den Bereich Berlin C und wechselt anschließend in den ÖPNV. Erst die Einführung des „49-Euro-Tickets“ auf Bundesebene wird diese Ungleichbehandlung beenden. Denn schaut man Richtung Westen, reicht der Tarif Berlin C bis nach Werder. Der werkseigene Bus-Shuttle zwischen Bahnhof Fangschleuse und Tesla Gigafactory transportiert die Tesla-Mitarbeiter gratis. Sie nutzen die Linie 419 nicht. Die unübersehbare Konsequenz besteht darin, dass die Busse der Linie 419 größtenteils mit sehr geringer Auslastung spazieren fahren, während in vielen anderen Teilen Brandenburgs Fahrzeuge und Busfahrer fehlen, um die Fahrpläne zu verbessern. Das dieser „Luxus“ größtenteils von Tesla finanziert wird, macht die Sache nicht besser.

Alles in Allem ist die Situation aus unserer Sicht völlig unbefriedigend. Im Sommer sollen die Bauarbeiten an den Knotenpunkten der L 38 zwischen GVZ und Gigafactory beendet werden. Eine wesentliche Besserung erwarten wir dann nicht. Nach dem Motto „Freie Fahrt für Tesla!“ werden die Schaltzeiten der neuen Lichtsignalanlagen so programmiert sein, dass der Verkehrsfluss zur Gigafactory optimiert wird. Wer einfach daran vorbeifahren möchte, muss hoffen, dass er einen verkehrsgünstigen Moment erwischt. Die Unternehmen im GVZ (größtenteils Logistik) haben ebenfalls ihre Lieferverpflichtungen einzuhalten. Auch sie leiden unter der neuen „Nachbarschaft“.

Wir wünschen uns Antworten auf die im Text markierten Fragen. Noch wichtiger ist allerdings die Einleitung von Maßnahmen, die Ihre Aussage „Auch der Individualverkehr per Pkw kann gut aufgefangen werden.“ Wirklichkeit werden lässt.

Mit freundlichen Grüßen                           

Vorstand der IG Freienbrink

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