Tesla: Rückblick 2023 – Ausblick 2024

Der Beitrag vom 31.12.2022 endet mit dem Satz: „Zusammengefasst sind es viele offene Fragen und Ungewissheit statt Klarheit und Perspektiven.“

Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter uns und dennoch bleiben weiterhin viele offene Fragen. Blicken wir zunächst zurück und versuchen am Ende eine Prognose für die Zukunft zu geben.

Ende 2022 wurde bekannt, dass Tesla auf dem stillgelegten Teil am Flughafen Schönefeld Flächen angemietet hat und dort tausende fabrikneue Teslas abgestellt werden. Anfang des Jahres 2023 kam dann die Erklärung. Es waren 6.000 Fahrzeuge zur Auslieferung nach Taiwan zwischengelagert worden und diese wurden im Laufe des Monats Richtung Nordsee abtransportiert. Im März meldeten Bürger aus Neuhardenberg, dass auf dem dortigen Flugplatzgelände kontinuierlich von Tesla Fahrzeuge abgestellt werden. Die Transporter fahren auf dem Weg dorthin auf dafür nicht ausgelegten Straßen mitten durch die Ortschaften. Im November geriet ein voll beladener Transporter zwischen Trebnitz und Wulkow in den Straßengraben und blockierte für mehrere Stunden die Fahrbahn.

Einen weiteren Unfall gab es am13. Juli als ein Lkw mit Tesla-Akkus beladen auf der A10 am Dreieck Spreeau in den Straßengraben fuhr. Dabei wurde der Fahrer schwer verletzt. Die Werksfeuerwehr von Tesla musste die Batterien bergen.

Für Aufregung sorgte zum Jahreswechsel auch eine Stellenanzeige. Tesla suchte nach einem „Ermittler für Sicherheitsinformationen“. Hauptbetätigung sollte das Aufspüren von Whistleblowern sein – Mitarbeitern, die vertrauliche Informationen nach außen, vor allem zu Journalisten, tragen und so das Image von Tesla beschädigen. Am 25. Mai 2023 veröffentlicht das Handelsblatt die „Tesla-Files“. Durch ein riesiges Datenleck gelang der Zugriff auf 1.388 PDF-Dokumente, 1.015 Excel-Tabellen und 213 Powerpoint-Präsentationen sowie tausende von Kundenbeschwerden über massive Probleme mit Teslas wichtigstem Projekt: dem Autopiloten. Außerdem waren Listen mit Gehältern und Privatanschriften von 100.000 Mitarbeitern und Kunden zugänglich. Diese Daten wurden vor November 2022 durch Insider kopiert. Naheliegend wäre, dass Tesla den Vorfall bemerkt hat und durch die Stellenanzeige reagierte.

Trotzdem gelangten auch in den Folgemonaten weitere brisante Informationen nach außen. Im April veröffentlicht Business Insider den Artikel „Betriebsrat verstößt gegen Gesetz“. Nur eine statt vier Versammlungen hätten im Jahr 2022 stattgefunden. In der Fabrik gibt es laut Mitarbeitern deutlich zu wenig Toiletten, von denen viele defekt seien. Es mangelt auch an genügend Essensausgaben und die Fabrikhallen seien im Winter zu kalt und im Sommer zu heiß.

Mitte Juni berichtet Business Insider über die Streichung der Sonderschichten im zweiten Quartal, Entlassung von Leiharbeitern und Festangestellten. Ende August schreibt Business Insider, dass in Grünheide aktuell nur 750 Fahrzeuge pro Tag und damit weniger als 4.000 pro Woche produziert werden (Zielmarke sind 10.000). Personalmangel, hohe Krankenstände aber auch Absatzprobleme werden als Ursache genannt.

Höhepunkt waren dann die Berichte von „stern investigativ“ Ende September. Dem Team gelang es, zwei junge Frauen über eine Zeitarbeitsfirma in die Fabrik einzuschleusen. Mit versteckter Kamera machten sie Aufnahmen aus der Produktion. Das Team war im Besitz von seitenweisen Berichten über Arbeitsunfälle mit teilweise schweren Verletzungen. Dazu kamen zahlreiche Umweltverstöße, wie eine illegale Dieseltankstelle in einem Zelt, bei der es zum Austritt von Diesel kam.

Die IG Metall konnte sich inzwischen stärker innerhalb der Fabrik etablieren. Ende Juli verteilen Mitglieder Aufkleber in der Fabrik.

„Unsere Gesundheit ist wichtiger als die nächste Milliarde von Elon!“

„Unsere Sicherheit ist wichtiger als der nächste Produktionsrekord“

„Unsere Zeit für Familie und Freundschaft ist wichtiger als der Aktienkurs“

Das Management reagiert, indem man mit fristloser Kündigung droht.

Fragwürdige Entscheidungen der Genehmigungsbehörden auf Landkreis- und Landesebene prägten weiterhin das Geschehen. Anfang Januar 2023 wurde bekannt, dass vom Landesamt für Umwelt der Genehmigungsbescheid zu Gunsten von Tesla geändert wurde. Nicht nur Wasserverband Erkner-Strausberg (WSE) und die anerkannten Naturschutzverbände hatten Widerspruch eingelegt, sondern auch Tesla. Während die Verbände bis heute auf eine Entscheidung warten, wurde der Widerspruch von Tesla bereits am 8. November 2022 entschieden. Danach muss Tesla nicht mehr den WSE über Ergebnisse von Grundwasseruntersuchungen auf seinem Werksgelände informieren.

Anfang Februar fielen illegale Pfahlrammungen beim Tesla-Parkplatz an der L 38 auf. 104 Pfähle konnten von Tesla in den Boden gerammt werden, ohne dass es eine Behörde bemerkte. Erst Hinweise von Umweltaktivisten und Medienberichte veranlassten den Landkreis Oder-Spree zum Handeln, während sich das Landesamt für Umwelt hier als nicht zuständig erklärte. Der Landkreis fand es tatsächlich nicht in Ordnung. Tesla hätte die Baumaßnahme beantragen müssen. Ohne einen Antrag konnte der Landkreis keine Gebühr für die Genehmigung berechnen. Als Strafe wurde die Gebühr in doppelter Höhe erhoben und die Welt war wieder in Ordnung.

Die Ursache für diese Handlungsweise liegt scheinbar darin, dass politische Entscheidungsträger Elon Musk und seinem Unternehmen eine bevorzugte Behandlung gewähren. Auf dem Portal „Frag den Staat“ veröffentlicht der Journalist Aiko Kempen Ende September unter dem Thema „Wie deutsche Ministerien Tesla hofieren“ über 80 Dokumente mit Schriftverkehr zwischen Tesla und Ministerien in Brandenburg und auf Bundesebene. Das brandenburgische Wirtschaftsministerium fragt beispielsweise erst bei Tesla nach, welche Informationen es auf Anfragen von Landtagsabgeordneten herausgeben darf.

Ende Februar wurde bekannt, dass in der beantragten Lagerhalle, welche zu einer Batteriefabrik wurde, nun gar keine Batterien produziert werden. Ein in den USA aufgelegtes Förderprogramm machte die Produktion von Batteriezellen dort deutlich lukrativer. In Grünheide werden nun Komponenten für diese Zellen produziert, die dann in die USA geliefert werden. Die fertigen Batteriezellen gehen wieder zurück nach Europa, eventuell auch nach Grünheide.

In die USA ging auch Anfang März ein persönlicher Brief von Ministerpräsident Woidke an Elon Musk. Als Briefbote agierte Wirtschaftsminister Steinbach. In jenem Brief wird Unterstützung für die noch ungelöste Versorgung mit Wasser und Strom und eine Lösung bis zum Sommer versprochen. Anfang Juni konnte der „stern“ diese Lösung aufdecken. Brunnen mit einer Fördermenge von bis zu 2000 Kubikmeter pro Tag müssen nicht beim Landesamt für Umwelt, sondern bei der Unteren Wasserbehörde des Landkreises beantragt werden; egal, wie viele Brunnen. Der zuständige Wasserverband bleibt eh außen vor.

Welche Highlights gab es aus Sicht von Tesla?

Mehrfach gab es bei Tesla Grund zum Feiern. Ende Februar werden in einer Woche 4.000 Fahrzeuge produziert. Nur einen Monat danach feiert man die Marke von 5.000 Fahrzeugen. Später stellt sich heraus, dass dies nur mit Sonderschichten gelang und nicht wiederholt werden konnte. Am 22.03. war dann der 1. Jahrestag der Eröffnung der Gigafactory. Am 4. April wurde der Tesla-Radweg (ehemalige Alte Poststraße) zwischen Erkner und Tesla feierlich eröffnet. Am 27.05. war „Family Day“ bei Tesla. Mitarbeiter wurden mit Familie zum Sommerfest eingeladen. Werksführungen und eine Show-Produktion standen auf dem Programm. Am 3. Juli nimmt Tesla eine Solaranlage auf dem Fabrikdach in Betrieb. Am 31. Juli folgt die Freigabe der umgebauten L 38 mit 3 Lichtsignalanlagen. Tesla hat die Baumaßnahme finanziert. Das Land Brandenburg hätte europaweit ausschreiben müssen und es wäre zu mehreren Monaten Verzögerung gekommen. Am 01.09. beginnen 93 Azubis und 47 „dual“ Studierende (Betrieb und Hochschule) ihre Ausbildung bei Tesla. Am 04.09. startet der Tesla-Shuttle-Zug zwischen Erkner und Tesla Süd zu seiner ersten Fahrt. Am 03.11. war Elon Musk zu Besuch und kündigte Lohnerhöhungen und Bonuszahlung für Mitarbeiter sowie die Produktion eines Autos, das nur 25.000 Euro kosten werde, an. Am 06.11. wurde die Lobby im Eingangsbereich der Gigafactory eröffnet. Sie ist öffentlich frei zugänglich und montags bis freitags 8-18 Uhr und samstags 9-16 Uhr geöffnet. Gefeiert wurde wahrscheinlich auch ein Verhandlungserfolg vor Gericht. Am 31. März schrieb „Die Welt“: Tesla kann vor Gericht einen Bußgeldbescheid des Bundesumweltamtes wegen Verstoß gegen das Batteriegesetz (Rücknahme von Batterien) in Höhe von 12 Millionen Euro auf 600.000 Euro reduzieren. Das Urteil erging bereits im November 2022, wurde aber erst zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht.

Ferner lud Tesla am 18.07. zum Infotag nach Hangelsberg ein. Bei Gebäck und Getränken wurden an sieben Infoständen Fragen der Anwohnerinnen und Anwohner beantwortet.

Auf dem Parkplatz an der L 38 stellt Tesla Supercharger (E-Ladesäulen) auch für die öffentliche Nutzung zur Verfügung. Die 19 Ladesäulen werden durch eine kleine Raststätte mit Sitzgelegenheiten, Snack- und Getränkeautomaten sowie WC ergänzt. Alles befindet sich unter einem Solardach.

Was passierte im Umfeld mit Auswirkungen auf Freienbrink und was unternahm die IG Freienbrink?

Die Bauarbeiten an der L 38 strapazierten zunehmend die Nerven derjenigen aus Freienbrink, die zur Autobahn wollten. Als der brandenburgische Infrastrukturminister dann im Ausschuss verkündete: „Auch der Individualverkehr per Pkw kann gut aufgefangen werden.“, wurde ein Brief an sein Ministerium verfasst und auf die Missstände im Bereich der Baustelle hingewiesen. Als es dann Anfang April zur Vollsperrung der L 38 kam, wurde die Dorfstraße durch den Durchgangsverkehr stark frequentiert. Daraufhin rief die IG Freienbrink zu Protestschreiben an Landrat und Gemeinde Grünheide auf. Am 10. April veröffentlichte die MOZ den Artikel: „Leben mit Tesla – Dorfplatz Freienbrink soll Zusammenhalt stärken“. Es wurde über unser Zusammensein nach dem Frühjahrsputz und unseren Wunsch nach einem zentralen Ort der Begegnung berichtet. Mitte August griff der rbb das Thema Klärwerk wieder auf. Das brandenburgische Umweltministerium verfolge nicht mehr die Pläne für ein Industrieklärwerk in Freienbrink. Hier solle nur noch ein kommunales Klärwerk entstehen. Rückfragen des rbb bei allen Beteiligten (WSE, Berliner Wasserbetriebe, Gemeinde Grünheide) sorgten für Widersprüche und Verwirrung. Entschieden ist bis heute nichts und eine Lösung der Abwasserthematik wurde weiterhin nicht gefunden. Diesbezüglich herrschte im Jahr 2023 praktisch Stillstand. Am 14.10. erschien auf der Homepage der IG Freienbrink der Beitrag „Infrastruktur für Tesla“. Darin wird ein Ausblick auf bevorstehende Baumaßnahmen zwischen der Anschlussstelle Freienbrink und der Eisenbahnbrücke an der A 10 gegeben. Am 7.11. folgt ein weiteres Schreiben an die Gemeinde Grünheide. Die Beschwerde an das Ordnungsamt richtet sich gegen das Parken von Tesla-LKW auf öffentlichen Straßen. Obwohl Tesla ein Areal von über 300 ha besitzt, parken LKW mit einer Kennzeichnung „Tesla Werkverkehr“ dauerhaft auf dem Berberitzenweg zwischen ehemaliger Brotbüchse und Kreisel.

Was geschah auf Gemeindeebene?

Vor dem Aufstellungsbeschluss zur Tesla-Osterweiterung bot Tesla in einem Schreiben Ende November 2022 an die Gemeinde Grünheide Unterstützung für soziale Projekte an. Es bedurfte drei Anläufe, ehe im Sozialausschuss darüber beraten wurde. Einziges sichtbares Ergebnis ist die Installation von drei LED-Laternen Mitte Dezember beim Skaterpark vor dem Robert-Havemann-Klubhaus in Grünheide. Auf der letzten Sitzung der Gemeindevertretung am 14.12. konnte die Kämmerin die frohe Botschaft überbringen, dass Tesla für das Jahr 2022 etwa 6 Millionen Euro Gewerbesteuer zahlen wird.

Welche Aktivitäten gab es bei den Gegnern von Tesla?

Anfang März stellt der Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg e.V. mehrfach Strafanzeige wegen der illegalen Pfahlgründungen auf dem Parkplatz an der L 38 sowie wegen Bau des Bahnhofs für den Tesla-Shuttle ohne Genehmigung. Zum Jahrestag am 22.03. veranstalteten Sie eine Pressekonferenz und informierten in einem „Zeitstrahl des Grauens“ über den Ablauf des Genehmigungsverfahrens sowie Havarien bei Bau und Betrieb der Gigafactory. Am 29.04. wurden Interessierte zu einem Waldspaziergang durch das Waldgebiet eingeladen, dass für die Osterweiterung der Gigafactory gerodet werden soll. Die Tour führt vom Bahnhof Fangschleuse, vorbei am Ersatzhabitat für Schlingnattern und Zauneidechsen bis zum Fabrikgelände. Insgesamt fanden im vergangenen Jahr acht Waldspaziergänge statt. Die BI Grünheide knüpfte Kontakte nach Berlin und Potsdam. Am 16.09. wurde in Erkner ein Wald- und Wasserfest veranstaltet. Dabei wurde das Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ gegründet. Am 09.12. rief man zu einer „Blauen-Band-Aktion“ auf und stellte sich schützend vor den von Rodung bedrohten Wald zwischen Bahnhof Fangschleuse und Hangelsberger Kreisel. Anfang November wurde eine Beschwerde wegen der Lichtverschmutzung durch die Gigafactory beim Landesamt für Umwelt eingereicht. Antwort darauf erhielt allerdings nur die MOZ.

Viel Zeit ging erneut für die Auseinandersetzung mit Planungsunterlagen drauf.

06.04. bis 08.05. Auslegung / Einwendungen Vorentwurf B-Plan Nr. 60

03.07. bis 04.09. Auslegung / Einwendungen Planentwurf Verkehrsstation Fangschleuse (Deutsche Bahn)

19.07. bis 18.09. Auslegung / Einwendungen 2. Ausbaustufe

23.10. bis 24.10. Erörterung 2. Ausbaustufe

23.10. bis 21.12. Auslegung / Einwendungen Planentwurf B-Plan Nr. 60

Ausblick

Im Jahr 2024 werden Entscheidungen in allen drei Verfahren erwartet. Am 15. Januar startet die Einwohnerbefragung zum B-Plan Nr. 60. Ähnlich einer Briefwahl erhalten alle Einwohnerinnen und Einwohner mit der Post Unterlagen mit der Fragestellung und haben bis zum 16. Februar Zeit, ihre Antwort zurückzusenden. Das Ergebnis ist nicht bindend, sollte jedoch im Vorfeld der Kommunalwahl berücksichtigt werden. Tesla möchte nach erfolgreichem 1. Teilgenehmigungsantrag zur 2. Ausbaustufe seine Anlagen umbauen. Damit möchte man dem ursprünglichen Ziel von 500.000 Fahrzeugen pro Jahr näherkommen. Im Jahr 2023 blieb man nach Schätzungen unter 250.000 Fahrzeugen. Ursprünglich wollte man das Ziel von 500.000 Fahrzeugen mit 12.000 Beschäftigten erreichen. Diese Zahl ist inzwischen auf 18.000 revidiert worden. Aktuell sollen 11.500 Beschäftigte bei Tesla tätig sein. Es wird weiterhin nur von Montag bis Freitag in drei Schichten produziert. Bisher ist es nicht gelungen eine erforderliche vierte Schicht aufzubauen, um an sieben Tagen in der Woche produzieren zu können. Völlig offen sind die Verkaufsaussichten für das Modell Y. Gestrichene Förderung für E-Fahrzeuge in Deutschland, hohe Energiepreise für Endverbraucher und die allgemeine Unsicherheit können viele Verbraucher vom Kauf abschrecken.


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